Gefahrguteinsätze können für jede Feuerwehr anfallen – nicht nur für die Spezialkräfte der Gefahrguteinheiten. Die ersteintreffende Feuerwehr muss unaufschiebbare Erstmaßnahmen nach einem Gefahrgutunfall unverzüglich einleiten.

Die Feuerwehr Mammendorf übte deshalb am 16. Mai 2017 einen Gefahrguteinsatz. 45 Feuerwehrdienstleistende nahmen an der Übung teil.

Hier eine Nachbetrachtung:

Die eingesetzten Führungskräfte orientierten sich bei der Übung wie auch bei anderen Einsätzen an der aus der Ausbildung zur Gruppenführer bekannten “GAMSN Regel”.

Die GAMSN-Regel:

G wie Gefahren erkennen

A wie Absichern der Einsatzstelle

M wie Menschenrettung unter Eigenschutz

S wie Spezialkräfte nachfordern.

N wie Not-Dekontamination 

Die Lage:

Auf dem Gelände eines Abfallentsorgungsunternehmens in einem Gewerbegebiet treten bei einem Lkw, beladen mit einem Abrollcontainer, dicke Rauchschwaden aus dem Container. Eine bewusstlose Person liegt neben dem Fahrzeug auf dem Boden. Das Gewerbegebiet liegt östlich der Wohnbebauung. Vorherrschende Windrichtung ist aus Westen. Das Gewerbegebiet wird westlich durch die Kreisstraße FFB 2 und nördlich durch die Bahnstrecke München-Augsburg eingegrenzt. Im südlichen und östlichen Bereich liegen landwirtschaftlich genutzte Flächen. Im weiteren südlichen Verlauf liegt die Kreisstraße FFB 2 und die Bundesstraße B 2.

Aus dem Container treten starke Rauchschwaden aus.

 

Die Anfahrt, die Fahrzeugaufstellung und der Mindestabstand:

Die Meldung “starke Rauchentwicklung auf dem Gelände einer Entsorgungsfirma” lässt darauf schließen, dass möglicherweise Gefahrstoffe austreten. Schon bei der Anfahrt muss daher die Einsatzstelle mit dem Wind angefahren werden (Wind aus westlicher Richtung).  Außerdem muss zum Einsatzort selbst ein Mindestabstand eingehalten werden. Ohne nähere Erkundung sind mindestens 50 Meter einzuhalten.

Bei der Fahrzeugaufstellung sind neben dem Abstand zum Einsatzort weitere Regeln grundsätzlich zu beachten:

  • Nicht in Senken beziehungsweise an im Verhältnis zum Schadensort tiefer gelegenen Stellen halten
  • Möglichkeit für Positionswechsel bei sich drehenden Wind erhalten. Natürlich ist dafür die Stabilität der Windrichtung zu beobachten.
  • Möglichkeit der Geräteentnahme erhalten.
  • Vor allem Platz und möglichst Durchfahrtsmöglichkeit bis nahe der Absperrgrenze für nachrückende Spezialkräfte mit ihrer Ausrüstung freihalten (z. B. Gefahrstoffzug).

Aufstellung der ersteintreffenden Fahrzeuge (LF 16/12 und TLF 20/40) in der Daimlerstraße

 

Für das sichere Arbeiten der eigenen Kräfte muss die Grenze zum Gefahrenbereich direkt in der Anfangsphase (noch keine Spezialkräfte vor Ort) deutlich sichtbar gekennzeichnet werden. An dieser ersten Absperrgrenze muss genügend Entwicklungsfläche bleiben, um zeitnah einen Behelfsdekonplatz aufzubauen, den Brandschutz bereitstellen und eine Geräteablage einrichten zu können. Hinter dieser Absperrgrenze darf sich niemand ohne einen Mindestschutz aufhalten.

Brandschutz:

Dabei ist zu beachten, dass der bereitgestellte Brandschutz (lageabhängig) umgehend von den vorgehenden Trupps in Richtung Einsatzobjekt vorgenommen wird. Bei unserer Übung mussten wenigstens das Schaumrohr und der Pulverlöscher schnellstmöglich in der Nähe des Lkw abgelegt werden. Nur so sind ein schneller Zugriff und ein gezielter Einsatz im Rahmen der Wurfweiten gewährleistet. Außerdem empfiehlt sich die Bereitstellung eines B-Rohres (hohe Wurfweite, mehr Sicherheitsabstand).

Persönliche Schutzausrüstung:

Vor dem Hintergrund einer Menschenrettung ist auch die Persönliche Schutzausrüstung zu beachten. Es gilt: Auch zur Menschenrettung ist mindestens ein Pressluftatmer zu tragen! Öl- und säurebeständige Gummihandschuhe und -stiefel sind ebenfalls empfohlener Mindeststandard. Bei der Feuerwehr Mammendorf rückt deshalb bei einem Gefahrguteinsatz neben dem Löschgruppenfahrzeug  LF 16/12 auch das Tanklöschfahrzeug TLF 20/40 als erstes aus. Auf dem TLF 20/40 befinden sich neben 14 Spritzschutzanzügen Form 2 (leichter Chemikalienschutzanzug), 10 Atemschutzmasken, 10 Mehrbereichsfilter ABEK3P2, 10 Paar Gummistiefel und 10 Paar chemikalienbeständige Schutzhandschuhe sowie Indikatorpapier.

Gerade in der Anfangsphase eines Einsatzes ist darauf zu achten, dass jeglicher Kontakt mit den austretenden Stoffen vermieden wird.

Die Atemschutztrupps legen den leichten Chemikalienschutzanzug an.

 

Gefahren schnell erkennen (GAMS Regel):

Für eine sachgerechte Erkundung mit einem gebührenden Abstand zum Gefahrguteinsatz steht der Feuerwehr Mammendorf ein Fernglas (Mehrzweckfahrzeug – MZF) sowie zwei Wärmbildkameras (Löschgruppenfahrzeug LF 16/12 und LF 8/6) zur Verfügung. Aus sicherer Entfernung konnte man erkennen, dass der Lkw mit einem “A-Schild” gekennzeichnet war. Das “A-Schild” sagt jedoch lediglich aus, dass das Fahrzeug Abfälle auf öffentlichen Straßen transportiert. Rückschlüsse auf gefährliche Abfälle können jedoch hierzu leider nicht gezogen werden. Die Mannschaft des ersteintreffenden LF 16/12 begann nach der

  1. Personenrettung unter schwerem Atemschutz und der Übergabe an den Rettungsdienst (oberste Priorität)
  2. mit dem Sammeln von weiteren Informationen (unter schwerem Atemschutz)
  3. und dem Aufbau eines Brandschutzes (Wasserversorgung, Pulverlöscher, Schaumrohr) zum Schutz der Umgebung und der eigenen Einsatzkräfte.

Eine orange Warntafel, die auf Gefahrstoffe hinweist, war am Fahrzeug nicht vorhanden. Ein ansprechbarer Fahrer oder Arbeiter auf dem Gelände konnten nicht angetroffen werden. Der vorrückende Angriffstrupp konnte beim Erkunden des Containers zwei Behälter mit jeweils unterschiedlichen UN-Nummern identifizieren. Die UN-Nummer, auch Stoffnummer genannt, ist eine Kennnummer, die für alle gefährliche Stoffe festgelegt wird. Die Mannschaft des inzwischen nachgerückten MZF bekam den Auftrag auf Grund der Gefahrstoff-Datenbank Informationen über die beiden Stoffe herauszufinden.

Nach Einholung der Informationen über die beiden Gefahrstoffe wurden weitere Maßnahmen eingeleitet:

  • Ein Gefahrenbereich wurde festgelegt und mit Trassierband abgesperrt. Im Gefahrenbereich hält sich niemand ohne Auftrag und nur das unbedingt notwendige Personal auf.
  • Die im Gefahrenbereich eingesetzten Einsatzkräfte müssen sich mit einem leichten Chemikalienschutzanzug ausrüsten.
  • Ein provisorisches Becken für den Behelfsdekonplatz an der Absperrgrenze wird errichtet.
  • Die weiteren nachrückenden Besatzungen der Fahrzeuge Löschgruppenfahrzeuge LF 8/6 und  LF 16-TS sowie die Drehleiter DLK 18-12 erhielten die Aufträge auf dem Betriebsgelände liegende Gebäude als auch angrenzende Nachbargebäude vor dem Brand zu schützen bzw. giftige Dämpfe mit Wasser niederzuschlagen. Dazu wurden Schlauchstrecken von einem Oberflurhydrant und zwei Löschbrunnen verlegt.
  • Nachalarmierung eines Gefahrgutzuges (fiktiv)
  • Nachalarmierung eines weiteren Löschzuges (fiktiv)

Schutz der angrenzenden Nachbargebäude

 

Für die Einsatzführung stand schnell fest, das ohne weitere Einsatzkräfte (vor allem bedingt durch den Austausch von  Atemschutzgeräteträger ) der Einsatz kaum effektiv zu bewältigen wäre. Der Aufbau der Wasserversorgung mit eigenen Kräfte war jedoch sichergestellt (Wasser für Brandschutz, Not-Dekon, Niederschlagen/Verdünnen von Dämpfen/Kühlen von Behältern).

Für den Aufbau eines Behelfsdekonplatzes reichte der Aufbau eines provisorischen Auffangbeckens. Hierzu wurde der Wasserbehälter vom TLF 20/40 verwendet. Aber auch Auffangbecken mittels einem Ring aus sechs A-Sauglängen und Folie wäre denkbar gewesen. Die Dekontamination muss mit geringem Druck/Durchfluss (zum Beispiel mit einem D-Rohr) erfolgen.

Behelfsdekonplatz

 

Im Ernstfall muss der Einsatzleiter auch einschätzen können, ob und wie zeitnah das TUIS (Transport-Unfall-Informations- und Hilfeleistungssystem der Chemischen Industrie) in Anspruch genommen und ob die Fachberatung der Unteren Wasserbehörde (Wasserwirtschaftsamt) hinzugezogen werden muss.

Die Einsatzleitung

 

Daneben besteht bei einem Gefahrguteinsatz die Möglichkeit der Zündgefahr/Ex-Gefahr. Das im LF 16/12 und LF 8/6 befindlichen ExOx Meter bzw. Mehrfachgasmessgeräte kamen deshalb zum Einsatz. Bei Einsätzen ist auch darauf zu achten, dass die Einsatzkräfte selbst keine Zündquelle darstellen (nicht ex-geschützte Lampen, Funkgeräte, Handys, Funkmeldeempfänger, Feuerzeuge).

Im Anschluss der Übung wurde noch vor Ort die Übung mit allen Beteiligten besprochen.

Einsatznachbesprechung

Einsatznachbesprechung

 

Fazit: Die Feuerwehr Mammendorf muss  auch bei einem Gefahrguteinsatz die Personenrettung und unaufschiebbare Erstmaßnahmen zur Verhinderung einer erheblichen Schadensausweitung durchführen. Aus der Übung ergaben sich weitere Fragen und praktische Erkenntnisse die in die Ausbildung im Gefahrstoffbereich, Beschaffung und Einsatzvorbereitung mit einfließen werden.